Mitteilung für die Presse - Berlin, 07. März 2006
Internationaler Frauentag 2006: Frauen bewegen Politik
Erklärung der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) zum Internationalen Frauentag am 8.März 2006:
"Frauen bewegen Politik" - unter dieses Motto stellt die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen den Internationalen Frauentag 2006. In diesem Jahr jährt sich der Internationale Frauentag in Deutschland zum 95. Mal. Er geht zurück auf Proteste von New Yorker Arbeiterinnen, die erstmals 1857 auf die Straße gingen. Am 19. März 1911 wurde der Internationale Frauentag dann erstmals auch in Deutschland begangen. An diese Tradition knüpfen wir an.
Auch heute heißt es für die Frauen in unserem Land, ihre Potenziale zu nutzen, aber auch Hürden zu überwinden. Dies gilt besonders im Arbeitsleben. Mehr Chancen am Arbeitsmarkt, bessere Entlohnung, Existenz sichernde Beschäftigung, mehr Unterstützung für Frauen beim Wiedereinstieg und mehr Frauen in Spitzenpositionen das sind unsere Ziele.
Unbestritten ist, dass Frauen für die Wirtschaft ein unverzichtbares Potenzial an qualifizierten Arbeitskräften darstellen. Noch nie waren sie so gut ausgebildet wie heute, und doch werden sie für gleichwertige Tätigkeiten schlechter bezahlt als Männer und sind in den Führungsetagen von Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung kaum anzutreffen. Die jüngste Bilanz der Bundesregierung und der Spitzenverbände der Wirtschaft etwa beweist, dass Frauen die Führungsetagen der Privatwirtschaft nur im Schneckentempo erreichen, häufig bleiben sie dort Einzelkämpferinnen. Laut Bilanz fanden sich in den 100 größten Unternehmen 2004 neben 685 Männern nur 4 Frauen in Vorstandspositionen. Für uns kann daraus nur das Fazit gezogen werden, dass es ohne verbindliche Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft keine nennenswerten Fortschritte geben wird. Die EU-Antidiskriminierungsrichtlinien müssen als Beitrag zur Verbesserung der Chancengleichheit im Berufsleben schnell umgesetzt werden.
Auch wenn die unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern nicht das einzige Kriterium ist, so ist die Entlohnung doch ein wesentlicher. Untersuchungen zeigen, dass unter den Beschäftigten im Niedriglohnsektor der Frauenanteil sehr hoch ist. Frauen arbeiten heute vielfach in Branchen, in denen auch bei Vollzeittätigkeit Löhne erzielt werden, die geringer als die Hälfte des Durchschnittslohns sind. Laut Forschungsergebnissen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) von 2005 hatten Frauen im Jahr 2001 einen Anteil von 34,9 Prozent an allen (Vollzeit)Beschäftigten, sie stellten aber 57 Prozent an der Niedriglohnbeschäftigung. Dies überrascht nicht. Besonders häufig vertreten ist der Dienstleistungsbereich mit über 60 Prozent aller Niedriglohnjobs. Hierzu gehören eine Reihe von Branchen, in den sich weibliche Beschäftigte konzentrieren wie das Hotel- und Gaststättengewerbe, der Einzelhandel, das Gebäudereinigungsgewerbe und das Friseurhandwerk. Im Zusammenhang mit der Entscheidung über die EU-Dienstleistungsrichtlinie werden wir die Debatte um die Einführung von Mindestlöhnen vorantreiben, denn davon werden auch Frauen profitieren.
Durchgängige Erwerbsbiographien werden seltener. Insbesondere Frauen scheiden zwischenzeitlich aus der Arbeit aus, dauerhafte Vollzeitbeschäftigung ist nicht mehr selbstverständlich. Die Zeiten, in denen Menschen dauerhaft in die Rentenkasse einzahlen, nehmen ab, ihre durchschnittlichen Rentenversicherungsjahre gehen zurück. Heute haben Rentnerinnen, im Vergleich zu den Männern, deutlich geringere Versicherungszeiten. Frauen im Westen haben laut Rentenversicherungsträger im Durchschnitt 25 Versicherungsjahre. Anstatt in Folge gestiegener Erwerbstätigkeit gegenüber den Männern aufzuholen, ist diese Zahl, verglichen mit 1998, sogar rückläufig und liegt immer noch um etwa 15 Jahre deutlich hinter der der Männer, die 2004 im Durchschnitt gut 39 Versicherungsjahre aufzuweisen hatten. Es bedarf besonderer Maßnahmen, um die Beschäftigungsquote der über 50-jährigen Frauen zu erhöhen. Wegen Kindererziehungszeiten und häufiger Teilzeitbeschäftigung haben viele aus dieser Gruppe besondere Schwierigkeiten, wieder in eine Vollerwerbstätigkeit hineinzukommen. Zwar ist die Erwerbstätigkeit Älterer in den letzten Jahren wieder etwas angestiegen - dennoch war 2004 nur etwa jede fünfte Frau zwischen 60 und 64 Jahre erwerbstätig. 45 Versicherungsjahre sind so für Frauen nur schwer zu erreichen. Um ihre Alterssicherung zu verbessern, tun Frauen so oder so gut daran, sich schnell die Riester-Rente zu sichern, die seit Anfang des Jahres zum Unisex-Tarif angeboten wird.
Kinderbetreuungskosten werden künftig steuerlich besser berücksichtigt. Unserer Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass erwerbstätige Eltern ihre besonderen finanziellen Belastungen für die Kinderbetreuung zu zwei Dritteln ausgleichen können - ohne einen Sockelbetrag.
Mit dem Elterngeld wird ein wichtiges Element sozialdemokratischer Familienpolitik umgesetzt, das auch der Gleichstellung verpflichtet ist. Das Elterngeld wird eine entscheidende Weiche für die tatsächliche Wahlmöglichkeit von Müttern und Vätern stellen. Wir erwarten, dass in der Debatte die Diffamierung von berufstätigen Eltern als "Doppelverdiener" unterbleibt. Wer diese Begriffe benutzt, knüpft - ob gewollt oder nicht an Kampagnen an, mit denen Ehefrauen vom Arbeitsmarkt verdrängt werden sollten.
Nur mit einem Bündel von Maßnahmen werden wir es schaffen, die berufliche Entwicklung und die soziale Lage von Frauen in unserer Gesellschaft nachhaltig zu verbessern. Wer Frauen vor die Alternative Beruf oder Familie stellt, verspielt die Zukunft.
Wenn viele Frauen sich politisch engagieren, können sie Politik bewegen. Von allein bewegt sich nichts!